Die Kündigung eines Geschäftsführers nach niederländischem Recht
Viele deutsche Gesellschaften haben in den Niederlanden eine Tochtergesellschaft – zumeist eine B.V. – mit einem lokalen Geschäftsführer. Will sich der Gesellschafter von diesem Geschäftsführer trennen, so hält das niederländische Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht einige Besonderheiten parat, die in der Praxis unbedingt beachtet werden müssen.
Ebenso wie im deutschen Recht ist für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses von Geschäftsführern nach niederländischem Recht zum einen die gesellschaftsrechtliche Abberufung des Geschäftsführers per Gesellschafterbeschluss notwendig und zum anderen eine arbeitsrechtliche Kündigung des bestehenden Geschäftsführervertrages. Die Abberufung des Geschäftsführers und die Kündigung des Geschäftsführervertrags ist grundsätzlich jederzeit möglich. Bei der Kündigung ist die gesetzliche bzw. vertragliche Kündigungsfrist einzuhalten. Zu beachten ist jedoch – je nach Fallgestaltung – das Risiko einer höheren Abfindung.
Die gesellschaftsrechtliche Abberufung
Die gesellschaftsrechtliche Abberufung eines Geschäftsführers erfolgt durch Fassung eines Abberufungsbeschlusses im Rahmen einer Gesellschafterversammlung. Hinsichtlich der Abberufung ist es wichtig, dass der Geschäftsführer die Möglichkeit erhalten muss, sich im Rahmen der Gesellschafterversammlung zu der geplanten Kündigung zu äußern, da er anderenfalls den Gesellschafterbeschluss hinterher anfechten kann.
Im Vorfeld zur Abberufung ist deshalb immer eine formelle Gesellschafterversammlung einzuberufen, zu welcher auch der Geschäftsführer einzuladen ist. In der Tagesordnung zu dieser Gesellschafterversammlung muss die Abberufung/Kündigung des Geschäftsführers ausdrücklich angeführt sein.
Grundsätzlich ist die Anberaumung einer Gesellschafterversammlung auch dann zu empfehlen, wenn der Arbeitgeber eigentlich eine einvernehmliche Vertragsaufhebung anstrebt. Denn wenn keine Gesellschafterversammlung einberufen wird, besteht das Risiko, dass sich der Geschäftsführer nach Beginn der Verhandlungen über eine etwaige Aufhebung des Arbeitsverhältnisses krankmelden könnte. Dies ist deshalb ungünstig, weil kranke Arbeitnehmer in den Niederlanden in den Genuss eines absoluten Kündigungsverbots kommen. Für Arbeitnehmer ist es somit leicht, eine bevorstehende Kündigung durch Krankmeldung zu torpedieren. Das gilt auch für Geschäftsführer. Nach niederländischem Recht besteht keine Pflicht, ein ärztliches Attest beizubringen. Wird hingegen eine Gesellschafterversammlung einberufen, gilt eine darauffolgende Krankmeldung als unerheblich.
Die gesellschaftsrechtliche Abberufung steht einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Geschäftsführer gleich. Nach erfolgter Abberufung muss demnach keine schriftliche Kündigung mehr erfolgen, sie ist gleichwohl in der Praxis vielfach üblich. Die gesetzliche bzw. vertragliche Kündigungsfrist ist zu beachten. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Geschäftsführer (mindestens) Anspruch auf Zahlung einer gesetzlichen Abfindung (transitievergoeding). Diese gesetzliche Abfindung beträgt 1/3 Monatsgehalt pro Dienstjahr.
„Fallschirm“ des Geschäftsführers: Klage auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung
Nach niederländischem Recht hat der Geschäftsführer nach erfolgter Kündigung keine Möglichkeit, diese anzufechten. Der niederländische Gesetzgeber hat zugunsten von Geschäftsführern jedoch einen „Fallschirm“ für ungerechtfertigte Kündigungen eingebaut: Beruht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf einem ernsthaften Verschulden des Arbeitgebers, so kann der Richter dem Arbeitnehmer zusätzlich zum Übergangsgeld eine „angemessene Entschädigung“ (billijke vergoeding) zuerkennen. Für Geschäftsführer gilt dieses Recht gemäß Artikel 682 Abs. 3 Nr. 3 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches (Burgerlijk Wetboek, BW) insbesondere auch dann, wenn die Kündigung nicht unter einen der sogenannten „angemessenen Kündigungsgründe“ fällt, welche Voraussetzung für eine Kündigung von gewöhnlichen Arbeitnehmern sind.
Bei Geschäftsführern werden in der Praxis häufig ein zerrüttetes Arbeitsverhältnis oder „andere schwerwiegende Umstände“ als Kündigungsgrund angeführt. Im Hinblick auf die Anforderungen im Hinblick auf die Kündigung eines Geschäftsführers reagiert die Rechtsprechung unterschiedlich. Jeder Fall ist ein Einzelfall und erforderte eine Ermessensentscheidung der jeweiligen Richter. In den meisten Fällen wird jedoch verlangt, dass der Geschäftsführer zunächst eine reale Möglichkeit erhalten hat, sein Verhalten zu verbessern. Kommt die Kündigung für den niederländischen Geschäftsführer völlig unerwartet, so kann die Trennung für den Gesellschafter durchaus teuer werden.
Tipp für die Praxis
In der Praxis erfolgt die Trennung vom Geschäftsführer in den Niederlanden vielfach über eine einvernehmliche Vertragsaufhebung. Aus den oben geschilderten Gründen ist dabei eine vorhergehende förmliche Einberufung der Gesellschafterversammlung einschließlich Ankündigung der Anhörung dringend zu empfehlen. Je nach Fallgestaltung sollte der Gesellschafter im Rahmen der Verhandlungen auch bereit sein, eine höhere Abfindung zu zahlen, um die Risiken, die mit einem Gerichtsverfahren über eine mögliche angemessene Entschädigung einhergehen können, zu verhindern.
Weitere Fragen?
Haben Sie ergänzende Fragen zur Kündigung eines niederländischen Geschäftsführers, benötigen Sie Beratung bei der Erstellung der gesellschaftsrechtlichen Formalitäten und der Verhandlung eines Aufhebungsvertrages mit einem niederländischen Geschäftsführer? Oder benötigen Sie einen Rechtsanwalt im Rahmen eines Gerichtsverfahrens mit einem Geschäftsführer? Bitte nehmen Sie unverbindlich Kontakt mit uns auf unter +31 20 57 47 451 (deutschsprachiges Sekretariat) oder schreiben Sie eine Mail an [email protected].
Dr. Wiebke Bonnet-Vogler
Advocaat & Rechtsanwältin in Amsterdam
Dr. Wiebke Bonnet-Vogler berät deutschsprachige Unternehmen in allen Fragen zum niederländischen Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht. Sie ist in Deutschland als Rechtsanwältin und in den Niederlanden als ‘advocaat’ zugelassen.
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