Scheinselbstständigkeit – aktuelle Entwicklungen in den Niederlanden

Auch in den Niederlanden ist es als Auftraggeber wichtig, sich über das Gesetz zur Scheinselbstständigkeit auszukennen. Auch in den Niederlanden gilt, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegen kann, wenn eine natürliche Person zwar offiziell als Selbstständiger auftritt, in der Praxis jedoch wie ein Arbeitnehmer arbeitet. In diesem Fall könnten für die betreffende Person Sozialversicherungsbeiträge und Steuern nachgefordert werden. Außerdem könnte ihr arbeitsrechtlicher Schutz, insbesondere der Kündigungsschutz, zustehen.

Rechtliche Grundlagen und bisherige Regelungen von Scheinselbstständigkeit in den Niederlanden

Es ist gemäß Artikel 7:610 des niederländischen Gesetzbuches in aller Regel von einem Arbeitsverhältnis auszugehen, wenn die nachstehenden Kriterien kumulativ erfüllt sind:

  • Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Arbeit persönlich zu leisten, und darf seine Tätigkeit nicht ohne Zustimmung des Auftraggebers durch jemand anderen ausführen lassen;
  • Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, eventuellen Anweisungen des Auftraggebers/Arbeitgebers Folge zu leisten. Letzterer bestimmt, wie die Arbeit auszuführen ist;
  • Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeiten eine Entlohnung, also mehr als lediglich eine Kostenerstattung. Diese ist monatlich gleichbleibend, unabhängig von der tatsächlich geleisteten Arbeit.

Letztlich ist die Abgrenzung jeweils eine Frage des Einzelfalls, welche sich in der Praxis als äußerst schwierig erweist.

Bis 2016 konnten sich Auftraggeber in den Niederlanden durch die sogenannte VAR (verklaring arbeidsrelatie) vor dem Risiko der Nachzahlung von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen bei Scheinselbstständigkeit schützen. Seit dem 1. Mai 2016 existiert diese Möglichkeit jedoch nicht mehr und wurde die VAR durch das Gesetz DBA (Wet deregulering beoordeling arbeidsrelaties) abgelöst.

In diesem Rahmen hat der niederländische Gesetzgeber Modellverträge eingeführt, die das niederländische Finanzamt für verschiedene Konstellationen bereithält (siehe). Die gelb hervorgehobenen Bestimmungen müssen in einen Freelance-Vertrag aufgenommen werden, um den Verdacht des Vorliegens eines Arbeitsvertrages zu entkräften. Letztlich ist die Abgrenzung jedoch eine Frage des Einzelfalls und der gelebten Praxis. Sofern ein Vertrag die im Modellvertrag genannten Klauseln enthält und in der Praxis auch so gelebt wird, soll ein Auftraggeber in den Niederlanden davon ausgehen können, dass keine Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden müssen. Durch die Nutzung der Modellverträge wird jedoch keine absolute Rechtssicherheit garantiert.

Was gilt jetzt für Auftraggeber in den Niederlanden?

Die DAB hat in der Praxis zu zahlreichen Unsicherheiten geführt. Aus diesem Grund wurde die Handhabung und Durchsetzung der neuen Regeln bis heute ausgesetzt. Das niederländische Finanzamt ging bisher lediglich gegen mutwillige Verstöße vor. Kürzlich teilte das niederländische Finanzamt jedoch mit, ab dem 1. Januar 2025 das Vollstreckungsmoratorium aufzuheben und die Kontrolle auf Scheinselbstständigkeit zu verstärken. In der Zwischenzeit ist das geltende Recht jedoch bereits wirksam und sollte daher respektiert werden.

Zudem wurde im Januar 2024 ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Rechtsnorm aus Artikel 7:610 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs präzisiert. Während weiterhin die oben genannten Kriterien gelten, beinhaltet der Gesetzesentwurf darüber hinaus die rechtliche Vermutung, dass bei einem Stundenlohn von EUR 32,24 oder weniger von einem Arbeitsverhältnis und nicht von einem Freelance-Verhältnis auszugehen ist.

Wann der Entwurf in Kraft treten wird, ist momentan noch unklar.

Was bedeutet das für Auftraggeber in den Niederlanden?

Für den Fall, dass die objektiven Kriterien eines Arbeitsverhältnisses erfüllt sind und somit ein verkapptes Arbeitsverhältnis vorliegt, kann dies für Auftraggeber in den Niederlanden steuerliche Konsequenzen in Form von Nachzahlungen von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) haben, sowie ggf. Bußgelder nach sich ziehen.

Zudem besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer selbst vor Gericht geltend macht, dass er in einem Arbeitsverhältnis steht, z.B. im Falle einer Kündigung. Dann besteht die Gefahr, dass die Kündigung vom Gericht für unwirksam erklärt wird.

Die Thematik der Scheinselbstständigkeit ist äußerst komplex und es ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Wir empfehlen Auftraggebern in den Niederlanden daher dringend, sich vor Vertragsabschluss genauestens über die aktuelle Rechtslage in den Niederlanden zu informieren und gegebenenfalls anwaltlichen Rat einzuholen.

Wir beraten Sie gerne dazu. Bitte nehmen Sie unverbindlich Kontakt mit uns auf unter +31 20 57 47 451 (deutschsprachiges Sekretariat) oder schreiben Sie eine Mail an [email protected] oder [email protected].

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